Rezensionsinterview | Juno Dawson – Clean

Nachdem Jill und ich Clean beendet hatten, kamen wir kaum von dieser Geschichte los. In einem bereichernden Austausch kamen wir also schlussendlich auf die Idee, uns gegenseitig Fragen zum Buch zu stellen und dadurch eine etwas andere Rezension zu verfassen.

Ich beantworte also Jills Fragen, ihre Antworten auf meine Fragen findet ihr HIER.

In meiner Buchvorstellung habe ich euch die Geschichte bereits etwas näher gebracht. In Clean geht es um Lexi, die nach einer Überdosis in einer Klinik landet, in der sie einen harten Entzug macht. Dort trifft sie auf einen Aufputschmittel-Junkie, ein Trans-Mädchen, einen Zwangsneurotiker, eine Bulimikerin und einen Ex-Kinderstar. Diese bunten Charaktere werden zu Freunden.


Wenn wir einmal an diesem Faden ziehen, ribbelt sich der ganze traurige Pullover auf.
(Clean, Juno Dawson, S. 111)

Welche (spoilerfreie) Szene ist dir am meisten im Kopf geblieben?

Ich werde vermutlich nicht vergessen, wie Lexi in die Klinik gekommen ist. Ihre Aufnahme dort erinnerte mich an die Aufnahmen der Kids, die notfallmäßig zu uns kommen, nur dass sie (in der Regel, aber mich schockt mittlerweile nichts mehr) nicht unter Drogen stehen und einen Entzug durchmachen müssen. Viel mehr geht es bei uns darum, Eigen- oder Fremdgefährdung zu reduzieren und die Krisensituationen gemeinsam zu bewältigen. Lexi wehrte sich total gegen die Aufnahme, wollte nicht bleiben, beleidigte und bedrohte die Mitarbeiter dort. Sie zeigte sich weder einsichtig, noch kooperativ, und genau das kommt mir sehr bekannt vor. Nach einiger Zeit konnte sie sich dann doch auf die Therapie einlassen und stellte fest, dass es gar nicht so schlimm ist, wie gedacht – was mich ebenfalls an meine Arbeit erinnert.

Was waren deine ersten Gedanken, als du das Buch beendet hast?

Ich war auf jeden Fall total beeindruckt aufgrund der unerwarteten Tiefgründigkeit, des metaphorischen, schonungslosen Schreibstiles und der Authentizität, die jeder einzelne Charakter und seine Geschichte mit sich gebracht hat. Die Sprache ist auf jeden Fall sehr derb – wie die Protagonistin Lexi selber zu Beginn. Das Buch ist keinesfalls eine locker leichte Jugendliteratur, denn es behandelt schwierige Themen wie Drogenmissbrauch, Essstörungen und selbstschädigenden Verhaltensweisen.

Draußen vor dem Fenster zwitschern vergnügte kleine Vögelchen, denen ich am liebsten den Hals umdrehen würde. Worüber freuen die sich denn so? Vorlaute Wichser.
(Clean, Juno Dawson, S. 110)

Hattest du das Gefühl, dass die Thematik entsprechend ernstzunehmend angegangen wurde?

Auf jeden Fall! Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass die geschilderten Aspekte oder Situationen verharmlost oder zu humorvoll dargestellt wurden, ganz im Gegenteil. Durch die schonungslos ehrliche Sprache kamen die Themen wahnsinnig authentisch, ernst, eindrucksvoll, teilweise dramatisch und vor allem glaubhaft rüber. Ich konnte mich gut in die Figuren hineinversetzen, allen voran Lexi, und fühlte mit ihnen mit – ob ich wollte, oder nicht.

Stimmt die Geschichte mit deinen Erwartungen überein?

Glücklicherweise habe ich so gut wie nie Erwartungen an Filme, Bücher und Serien, somit werde ich auch nur selten davon enttäuscht. Erhofft hatte ich mir jedoch eine jugendliche, berührende Geschichte, die mich thematisch mitreißt. Und genau so war es auch. Clean konnte mich sogar positiv überraschen, da ich nicht mit einer derartigen Wortkunst gerechnet hätte, es gab so viele ausgefallene, großartige Metaphern, dass mir die Post Its beim Lesen ausgegangen sind.

Niemand von uns ist einfach, niemand von uns ist … clean. Unsere Beschissenheiten driften in uns umher wie Kontinentalplatten. Wir warten nur ab, bis sie wieder aneinander reiben. Wappnen uns für das nächste Erdbeben.
(Clean, Juno Dawson, S. 167)

Wenn du Juno Dawson als Antwort auf dieses Buch einen Brief mit 5 Sätzen schreiben könntest, wie würde er aussehen?

Liebe Frau Dawson,
ich danke Ihnen vielmals für diese eindrucksvolle Geschichte, die mich begeistern konnte. Ich schätze Ihre Recherchearbeit sowie Ihren Einsatz für die LGBTQ-Community. Jetzt bin ich auf jeden Fall sehr gespannt auf Ihre anderen Werke und werde sie sicherlich bald kaufen & lesen. Ich würde mir wirklich wünschen, dass es noch viel mehr solcher Bücher gibt, die den Menschen ein Stück weit die Augen öffnen, die Auseinandersetzung fördern und ihnen derartige Themen näher bringen. Gerade die Authentizität, die Schonungslosigkeit und die bildhaften Vergleiche haben mich beeindruckt.

Hier erfahrt ihr mehr über die Autorin.

Mein Lied für die Geschichte:

Beim Lesen höre ich immer Musik, meistens meine gemischte Spotify Playlist. Hier fand ich Jumpsuit von Twenty One Pilots sehr passend, zwar gibt es nicht viel Text, aber ich habe den Klang insgesamt als sehr passend zur Atmosphäre im Buch empfunden.

Bildschirmfoto 2018-08-15 um 17.05.14

Mit einem Klick aufs Foto gelangt ihr zum YouTube Video (erweiterter Datenschutzmodus)

Jills Beitrag


Infos zum Buch

InhaltLexi ist reich, cool, ein It-Girl – und heroinsüchtig. Nach einer Überdosis landet sie in der Clarity-Klinik. Ihr Entzug ist hart, die Therapie schier unerträglich, vor allem die Treffen mit den „Mitinsassen“: Aufputschmittel-Junkie Saif, Trans-Mädchen Kendall, Guy mit der Zwangsneurose, Bulimikerin Ruby, Ex-Kinderstar Brady. Doch ausgerechnet diese fünf werden zu echten Freunden. Und Brady vielleicht mehr. Lexi öffnet sich vorsichtig, beginnt ihr zerstörerisches Leben zu hinterfragen. Aber ist ein anderer Weg überhaupt möglich?Quelle

Werbung | Juno Dawson | Clean | Carlsen Verlag | übersetzt von Christel Kröning | ab 14 Jahren | 400 Seiten | 17,99 € | 28.06.2018 | zum Buch

Juno Dawson veröffentlicht regelmäßig Beiträge in diversen Magazinen und Zeitungen, u. a. im Guardian und in Glamour. Vor allem aber schreibt sie spannende Romane und engagierte Sachbücher für Jugendliche. Ihre Geschichten wurden mehrfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt. Nachdem sie bis dahin als James Dawson gelebt hat, gab sie 2015 ihre Umwandlung zur Frau bekannt. Juno Dawson lebt und schreibt in Brighton. – Quelle

Danke an den Carlsen Verlag für das Rezensionsexemplar*.

Clean2

 

33 Antworten zu “Rezensionsinterview | Juno Dawson – Clean”

  1. Hey Nicci,

    ein Buch-Interview. Ich liebe eure Ideen.
    Clean hinterlässt einen bleibenden Eindruck auf mich, und ich habe es noch nicht einmal gelesen.

    Danke dafür.

    Liebe Grüße
    Tina

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  2. Liebe Nicci,

    toll, dass dir das Buch ebenso gut gefallen hat. Für mich war es auch ein absolutes Highlight und es hat mich richtig berührt!
    Genau wie bei Jill muss ich sagen, dass ich eure Idee die Rezension so zu gestalten total klasse finde! Das bringt nochmal neuen Schwung rein <3

    Liebste Grüße
    Sonja

    Gefällt 1 Person

    • Liebe Sonja,
      das Buch ist wahrlich etwas besonderes, und ich finde es umso cooler, wenn man die Infos über die Autorin hat :) sehr spannend.

      Danke für dein Feedback, freut mich dass dir unsere Beiträge gefallen haben <3

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  3. Liebe Buchnachbarin,
    hach, wie cool diese Idee mit dem Interview ist!
    Es hat total viel Spaß gemacht eure Fragen durchzulesen. Erst bei dir habe ich gemerkt, dass ihr beide euch ja unterschiedliche Fragen zugeschickt habt. Sehr witzig.
    Clean stimmt mich mittlerweile sehr neugierig, ich packe es definitiv auf meine Wunschliste und schaue mal, wann es dann bei mir einzieht. Es klingt definitiv nach einer wichtigen und eindrucksvollen Geschichte. Obwohl ich eigentlich schon einige Drogen-Geschichten-Bücehr gelesen hatte, ist dieses noch einmal ganz anders, weil es in einer Entzugsklinik spielt.

    Alles Liebe,
    deine Buchnachbarin

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    • Danke liebe Buchnachbarin <3
      Das Interview hat uns auch richtig viel Spaß gemacht und vor allem ist es mal etwas anderes, als gewöhnliche Rezensionen, die ja nicht sooo viel geklickt werden und auch manchmal beim Schreiben nicht allzu viel Spaß machen wenn man mal ehrlich ist haha.

      Wenn dich die derbe Sprache nicht stört könnte Clean sicherlich was für dich sein :)

      SUPERLIEBE

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  4. Hi Nicci,
    eine coole Art von Rezension habt ihr euch überlegt! Bei deiner Beschreibung des Buches fühle ich mich an ein Buch erinnert, welches ich vor kurzem gelesen habe und bald auch rezensieren werde: Auerhaus. Ein Buch, in welchem Selbstmord und Depression auf eine Art und Weise behandelt wird, die Clean sehr ähnlich zu sein scheint. Derb, authentisch und mit vielen Metaphern. Auerhaus hat mir schon sehr gefallen, weshalb du bei mir durchaus Interesse an Clean geweckt hast.

    Würdest du denn sagen, dass die Zielgruppe des Buches auf jeden Fall Jugendliche sind, oder richtet es sich vielmehr an jede Altersgruppe? (Außer vielleicht Kinder)

    Liebe Grüße
    Ole

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    • Danke Ole :)
      Auerhaus sagt mir was, das schaue ich mir mal an – danke für den Tipp!

      Ich würde sagen, dass es sich an jeden richtet, der über 16 ist und mit den Themen umgehen kann. Es werden ja viele Aspekte angesprochen und können somit einzelne Personen triggern, auch ist die Sprache sehr derb, was sicherlich nicht für jeden etwas ist. :) Erwachsene können da sicherlich besser mit umgehen, Jugendliche hingegen sind sicherlich erstmal beeindruckt von der Sprache und nehmen dadurch vielleicht mehr mit, als aus „netteren“ Büchern.

      Liebe Grüße

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  5. Hallo Nicci,

    ich hab das Buch auch gelesen und fand es total toll. Ich finde du hast sehr gut erklärt was diese Geschichte ausmacht und wieso sie so wichtig ist. Auch deinen Brief an Juno Dawson finde ich sehr treffend.

    Das ist wirklich eine tolle Art eine Rezension zu gestalten. Das solltet ihr öfter so machen.

    Liebe Grüße
    Meggie

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  6. Liebe Nicci,

    eine richtig coole Art der Rezension. Das gefällt mir wirklich total gut <3

    Das Buch hat mir im Grunde auch richtig gut gefallen, zu 100% überzeugen allerdings konnte es mich leider nicht. Mir war es noch nicht schonungslos genug … es ist schwer zu beschreiben und ich persönlich habe auch glücklicherweise keine Erfahrung mit dem Thema Drogen, aber in der Klink selbst kam mir das Ganze einfach zu Friede Freude Eierkuchen vor. Ich kann irgendwie nicht so ganz glauben, dass ein Entzug "so einfach" von Statten geht.

    Trotz allem bin ich froh, dass es dieses Buch gibt und aufmerksam macht auf dieses Thema und uns zumindest ansatzweise zeigt, was eine solche Drogensucht mit uns anstellt und auch, dass es nicht nur Drogen sind, nach denen man süchtig werden kann, sondern dass man praktisch nach allem süchtig werden kann.

    Liebste Grüße
    Ivy

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    • Danke liebe Ivy <3
      Ich denke auch nicht, dass ein Entzug einfach vonstatten geht, aber ich hatte das Gefühl, dass es da auch nicht einfach beschrieben wurde, es gab ja ein paar Zeitsprünge wo sie zB für ein paar Tage lang total weg war, geschlafen hat, etc. :) ich habe es als authentisch empfunden, aber das liegt ja immer im Auge des Betrachters inkl. seiner Erwartungen :)

      Ja, das finde ich auch. Ich fand den Aspekt, dass man irgendwie nach allem süchtig werden kann, auch super interessant. Das hatte ich vorher gar nicht unbedingt so auf dem Schirm. Und auch die Erklärungen fand ich sehr passend und spannend.

      Liebe Grüße <3

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  7. Liebe Nicci,
    Die Form der Rezension finde ich ziemlich cool ! Das solltet ihr auf jeden Fall öfter machen. Man bekommt einen guten Eindruck von der Geschichte und auch davon was andere dazu für Fragen beschäftigen.

    Und die Zitate aus dem Buch…Ich muss es dringend auf meine Wunschliste packen !
    Vielleicht ist es ja noch im Oktober auf der Messe zu haben. 😁

    Alles Liebe Nessi 😙

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    • Danke liebe Nessi :)
      Ich finde auch, dass ich das öfter machen sollte hihi. Ich bin eh kein Fan der gewöhnlichen Rezension. Zum Glück sind die meisten Verlage und Autoren da sehr offen.

      Ach bestimmt ist es da zu haben :)

      Liebe Grüße

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