Rezension: Lindsey Lee Johnson – Der gefährlichste Ort der Welt

Der gefährlichste Ort der Welt

Lindsey Lee Johnson | Der gefährlichste Ort der Welt | Aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Razum | Originaltitel: The most dangerous place on earth | Verlag: dtv | Leseprobe | 13.10.2017 | 304 Seiten | HC: 21€ / eBook: 18,99€ | Amazon**

Das paradiesische Städtchen Mill Valley wird zur Falle, und der amerikanische Traum mit seiner Gesellschaftsillusion zum Albtraum für ein paar Jugendliche. Sie alle bekommen in dem Roman eine Stimme und thematisieren ihr Leben, ihre Handlungen und deren Folgen schonungslos ehrlich. Ein kleiner Brief, ein Verrat, verheerende Konsequenzen.


Es ist nun schon in etwa eine Woche her, dass ich das Buch beendet habe und nach wie vor fällt es mir schwer, meine Gedanken in Worte zu fassen. Bei Der gefährlichste Ort der Welt handelt es sich um ein besonderes Buch über mehrere Jugendliche, die allesamt eine interessante Geschichte haben, die wiederum alle Einfluss auf das große Ganze nehmen. Diese Geschichten haben dabei alle etwas gemeinsam – sie beschäftigen sich mit dem Prozess der Selbstfindung, dem Heranwachsen und damit einhergehende Probleme.

Die Geschichte zeigt auf, dass man zwar verschiedene Lebensstile haben kann, aber grundsätzlich gar nicht so unterschiedlich ist. Alle aufgeführten Jugendlichen hegen den Wunsch nach Akzeptanz ihres Umfeldes, nach Freundschaft und irgendwie auch nach Liebe, egal ob familiär, freundschaftlich oder partnerschaftlich.

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Es gab somit ganz verschiedene Aspekte, die in den einzelnen Texten behandelt wurden, die alle zusammenspielten und aufeinander aufbauten. Ich lernte Calista/Cally kennen, die einen sehr persönlichen Brief von Tristan bekam, was die eigentliche Basis darstellte, auf der die gesamte Geschichte konstruiert wurde. Besonders Cally machte eine immense Entwicklung durch, an der der Brief keinesfalls unschuldig war. Denn dieser Brief wurde an andere Personen weiter getragen und später sogar in den sozialen Medien thematisiert, was heftige Folgen für alle Beteiligten hatte. Zu viel möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Ich persönlich wusste vor dem Lesen auch nicht mehr als ihr bis hier hin, und das war auch gut so.

Danach lernte ich Abigail kennen, einst die beste Freundin von Cally, die eine geheime und recht kritische Beziehung zu einem Mann hatte. Dann gab es noch Dave, der recht vernünftig wirkte im Gesamtkontext, aber auch sein Päckchen zu tragen hatte. Nick fälschte Prüfungen, vertickte Drogen und organisierte eine Party bei Elisabeth, die verheerende Folgen hatte. Sein Kumpel Damon trug seinen Teil dazu bei. Und Emma litt danach Höllenqualen, körperlich, wie seelisch. Elisabeth wirkte auf den ersten Blick arrogant, war aber in Wirklichkeit völlig einsam und in sich gekehrt und musste schlimme Dinge erleben. Ryan, ein weiterer Kumpel von Nick, kam einer interessanten Neigung nach.

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Ihr merkt, dass es zahlreiche Charaktere gab, deren Geschichten aufeinander aufbauten, schon alleine, weil die Personen miteinander agierten. Besonders gelungen fand ich dabei den Schreibstil. Das Buch war in drei große Teile gegliedert und es gab einen allwissenden Erzähler. Interessant fand ich die Überschriften, die immer eine Kombination aus Artikel und Nomen beinhaltete, die den Kernaspekt darstellte, beispielsweise Der Brief, Die Schöne, Das Internet, Die Tänzerin. In jedem Textabschnitt, der zu einer bestimmten Person gehörte, wurden Nebenfiguren benannt, die eine Rolle in der Geschichte der Person spielten, und über die dann im nächsten Abschnitt berichtet wurde. Somit gab es einen roten Faden, der einen durch das Buch führte. Spannend fand ich, dass Callys Geschichte dabei einen Rahmen bildet. Im ersten Kapitel erfuhr ich Hintergrundinformationen über Mill Valley, die einen interessanten Einstieg in das Buch bildeten. Die Geschichte führte mich durch die achte, elfte und zwölfte Klasse der Protagonistin.

Lehrerinnen wie sie ermunterten hoffnungslose Fälle wie Tristan ständig, sich mit absurden Anstrengungen in die Gemeinschaft einzubringen – mit Liebeserklärungen oder wahllosen Versuchen, Freundschaften zu schließen -, als wäre die Mittelschule ein sicherer Hafen, in dem man solche Experimente durchführen konnte, und nicht der gefährlichste Ort der Welt.
[Der gefährlichste Ort der Welt, Lindsey Lee Johnson, S. 40]

Jede einzelne Geschichten dieser vielseitigen und einzigartigen Jugendlichen hat mich verstört und beeindruckt zugleich. Sie regten zum Nachdenken an und zeigten auf, dass niemand grundsätzlich vor derartigen Komplikationen des Jugendalters geschützt ist, egal wie klein, sicher oder unscheinbar der Wohnort wirkt, wie sorglos und reich die Familie ist, wie groß der Freundeskreis. Besonders überwältigend fand ich die letzten Seiten des Buches, in denen Cally ihr Verhalten und das der anderen reflektierte, Handlungen zum Teil erklären, aber nicht beschönigen wollte.

Der gefährlichste Ort der Welt ist ein beeindruckendes, punktuell verstörendes und schonungslos ehrliches Buch, welches mich thematisch nachhaltig beschäftigen wird. Die Thematik, die sich um das Heranwachsen und den Einfluss sozialer Medien dreht, geht meiner Meinung nach jeden etwas an. Kategorie: BUCHTIPP

Auf dieser Seite gibt es ein Special zum Buch, wo ihr euch auch ein Mill Valley Video anschauen könnt. Den interessanten Buchtrailer füge ich euch hier ein:


Weitere Meinungen

„Mit Der gefährlichste Ort der Welt hat Lindsey Lee Johnson vor allem ein narrativ beeindruckendes Debüt geschaffen, wenn auch mir die Hintergründe der Charaktere an manchen Stellen zu einseitig waren“ – noch mehr Bücher

„Lindsey Lee Johnson entlarvt die Welt der Reichen als eine, die nicht annähernd so perfekt ist, wie es nach außen scheint. Sie findet den richtigen Ton, um die Verletzlichkeit ihrer Protagonisten zu treffen und die Ratlosigkeit der Eltern und der Gesellschaft aufzuzeigen.“ – Bücherkaffee

„Der gefährlichste Ort der Welt“ ist ein lesenswertes, nachdenklich stimmendes Portrait der heutigen Jugend, das gänzlich auf Klischees verzichtet, stattdessen durch eine präzise Beobachtungsgabe der Autorin und stimmige Figuren überzeugt.“ – Literat(o)ur

„Lindsey Lee Johnson hat mit ihrem Debütroman eine wirklich grossartige Geschichte geschaffen, die uns Einblicke in das Leben von Jugendlichen gibt, die alles haben und am Ende doch alleine dastehen.“ – Livricieux

Blatt-Trenner

Als Tristan Bloch eines Morgens auf sein Fahrrad steigt und losradelt, auf die Golden Gate Bridge zu, den heißen, schweißnassen Kopf gesenkt, da ahnen wir schon, dass ihn der Verrat seiner Angebeteten, Calista, vernichtet hat. Sein Liebesbrief wurde auf Facebook gepostet, und das war ihre Schuld.

Fünf Jahre später: Kurz nach dem dramatischen Ende einer Abschlussparty betrachtet Calista, Tristans erste und letzte große Liebe, in dem Versuch, die Ereignisse zu begreifen, ein altes Klassenfoto – Tristan, lachend, in seinen unmöglichen grellgelben Trainingshosen, der sanfte Dave Chu, der durchtriebene Ryan Harbinger, Baseball-Captain und Schwarm aller Mädchen, Abigail Cress, damals noch Calistas beste Freundin, die später mit einem Lehrer anbandelte, und all die anderen, die mit dem Leben und der Liebe gespielt hatten. Ihre fröhlichen Gesichter täuschen. »Sie taten, was sie konnten, um zu überleben.«

Für einen von ihnen war Mill Valley, das verträumte reiche Städtchen über der Bucht von San Francisco, ein vermeintliches Paradies, zur Hölle geworden. Und sie, die zurückblieben, waren vom Leben gezeichnet, noch bevor es richtig begonnen hatte. [Quelle]


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Vielen Dank an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar*.

 

4 Antworten zu “Rezension: Lindsey Lee Johnson – Der gefährlichste Ort der Welt”

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