Rezension: Ari Folman, David Polonsky – Das Tagebuch der Anne Frank | Graphic Diary

Das Tagebuch der Anne Frank Graphic Diary

Ari Folman, David Polonsky | Das Tagebuch der Anne Frank | Graphic Diary | Verlag: S. Fischer | Übersetzer: Mirjam Pressler, Klaus Timmermann, Ulrike Wasel | erschienen am: 05.10.2017 | 160 Seiten | HC: 20€ / eBook: 16,99€ | Amazon**

Inhaltlich geht es, wie auch in der gewöhnlichen Ausgabe, um das jüdische Mädchen Anne Frank, die während des zweiten Weltkrieges mit ihrer Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam Zuflucht findet und sich dort vor den Nazis versteckt. Das Tagebuch ist ein Dokument der dramatischen Situation sowie ein Symbol für den grausamen Völkermord an den Juden. 

Aber eines weiß ich jetzt: Man lernt die Menschen erst gut kennen, wenn man einmal richtigen Streit mit ihnen gehabt hat. Erst dann kann man ihren Charakter beurteilen!
[Das Tagebuch der Anne Frank, Graphic Diary, S. 37]

Das Graphic Diary ist eine gelungene Kombination aus emotional ergreifenden Texten, lebendigen Dialogen und authentischen Zeichnungen. Zu Beginn wurden die verschiedenen Charaktere in einer Übersicht eingeführt, ebenso ihre Familienzugehörigkeit und Rolle in der Geschichte. Neben der Familie Frank lebten auch Familie van Pels und der Zahnarzt Albert Dussel im Hinterhaus. Aufgrund der Tatsache, dass so viele Menschen über einen langen Zeitraum von zwei Jahren auf engstem Raum zusammenlebten, gab es zahlreiche Spannungen und Diskussionen, die durch die Illustrationen, fiktive, auf den Texten basierende, Dialoge und Annes gekonnt in den Verlauf integrierte Tagebucheinträge, dargestellt wurden.

Thematisch beinhaltete die Graphic Diary Ausgabe neben den Sorgen und Ängsten der Familien von den Nazis entdeckt zu werden und der Versorgung durch diverse Helfer ebenfalls die poetisch wirkende Gedankenwelt der dreizehnjährigen Anne über das Heranwachsen. Interessant fand ich die Mischung zwischen der Darstellung einer Heranwachsenden und ihrer Problematik, ihrem Zwiespalt inklusive Konflikte mit den Erwachsenen und ihrer Rolle in der besonderen Situation während des Krieges. Schnell wurde deutlich, dass Anne vieles herunter schluckte und sich einsam fühlte. Sie wünschte sich eine Familie, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass ihre Mutter eher distanziert war. Räumlich hatte sie eine Familie, die immer präsent war, emotional fehlte diese jedoch.

Ich verurteile mich selbst in so unsagbar vielen Dingen und sehe immer mehr, wie wahr Vaters Worte waren: „Jedes Kind muss sich selbst erziehen.“
[Das Tagebuch der Anne Frank, Graphic Diary, S. 142]

Die Zeichnungen empfand ich als sehr authentisch und gelungen. Emotionen und Charakterzüge kamen hervorragend rüber. Durch die Vielfalt von Elementen – Bilder in Comicform, Bilder die ganze Seiten füllten, Sprechblasen, hilfreiche Übersichten zu diversen Themen und Tagebucheinträgen, war das Buch insgesamt sehr abwechslungsreich. Auch die Atmosphäre, die oft von Angst und Sorge erfüllt war, kam gut rüber. Spannend fand ich, dass Anne dennoch meistens versuchte, das Positive und sogar eine potentielle bessere Zukunft zu sehen, was aber nach und nach schwand. Doch besaß sie bis zum Ende Träume, sie wollte Journalistin und Schriftstellerin werden. Für ihr Alter von 13 Jahren wirkte sie unglaublich reif und reflektiert, sie beeindruckte mich durch einen Weitblick, ihre Sicht auf die Welt, ihre schonungslose Ehrlichkeit und Selbstreflexion.

Besonders interessant fand ich die Informationen am Ende des Buches, wo geschildert wurde, wie es nach ihrem letzten Eintrag weiterging. Auch spannend fand ich das Nachwort, in dem dargelegt wurde, wie der Prozess des Adaptieren des Originaltextes verlief und welche Schwierigkeiten es bei der Umsetzung gab. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine gelungene, beeindruckende Arbeit des Teams.

„Unser Ziel war stets, den Geist Anne Franks in jedem einzelnen Bild zu bewahren.“

Die Graphic Diary Ausgabe des Tagebuches der Anne Frank konnte mich wie schon der Originaltext nachhaltig beeindrucken und mitreißen. Ich spreche eine klare Empfehlung aus und würde mir wünschen, dass es insbesondere in Schulen gelesen wird, um eine Auseinandersetzung mit der Thematik zu unterstützen. Durch die angenehme Abwechslung von authentischen Bildern und Texten voller innerer Zerrissenheit, Hoffnung und Ängsten ist es ebenfalls gut für „Lesemuffel“ geeignet. Für mich eine Lektüre der Kategorie Liebling

Ich hingegen finde, dass noch bei jedem Kummer etwas Schönes übrig bleibt. Wenn man das betrachtet, entdeckt man immer mehr Freude, und man wird wieder ausgeglichen. Und wer glücklich ist, wird auch andere glücklich machen. Wer Mut und Vertrauen hat, wird im Unglück nicht untergehen!
[Das Tagebuch der Anne Frank, Graphic Diary, S. 109]

Einen Einblick in das Innere des Buches bietet der gelungene Buchtrailer:


Weitere Meinungen

„Ich war von der Comic-Adaption begeistert und hoffe, dass sich viele weitere Leser durch dieses Buch berufen fühlen, sich mit Anne Franks Schicksal und ihren Erlebnissen als Untergetauchte im zweiten Weltkrieg auseinanderzusetzen.“ – Pan Tau Books

„Ich hoffe, dass diese Graphic Diary die Geschichte von Anne Frank vielen jungen Lesern, vielen Schülern und vielen Lesemuffeln zugänglich macht. Denn es ist schnell gelesen, es ist dank Annes Sarkasmus sogar unterhaltsam, es ist wunderschön gestaltet und enorm wichtig. Gerade jetzt, heute, wo so viele Menschen zu vergessen scheinen, welches Leid nationalsozialistisches Gedankengut mit sich bringt.“ – Tasmetu

„Mit dem tollen Zeichenstil begeistert es nicht nur Anne Frank- und Comic-Fans sondern bietet auch Weniglesern die perfekte Möglichkeit, sich mit Anne Franks Geschichte auf emotionale Art auseinanderzusetzen.“ – Miss Foxy reads

Blatt-Trenner

Anne Franks Tagebuch, weltbekannt und geliebt, liegt jetzt in einer völlig neuen Fassung vor: »Das Tagebuch der Anne Frank: Graphic Diary. Umgesetzt von Ari Folman und David Polonsky« ist eine einzigartige Kombination aus dem Originaltext und lebendigen, fiktiven Dialogen, eindrücklich und einfühlsam illustriert von den mehrfach ausgezeichneten Trickfilmzeichnern Ari Folman und David Polonsky. Beide bekannt für ihr Meisterwerk »Waltz with Bashir«, das u.a. für den Oscar nominiert war. So lebendig Anne Frank über das Leben im Hinterhaus, die Angst entdeckt zu werden, aber auch über ihre Gefühle als Heranwachsende schreibt, so unmittelbar, fast filmisch sind die Illustrationen. Das publizistische Ereignis zum 70. Jahrestag der Erstveröffentlichung, autorisiert vom Anne Frank Fonds Basel. [Quelle]

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Vielen Dank an den S. Fischer Verlag für das Rezensionsexemplar*.

 

15 Antworten zu “Rezension: Ari Folman, David Polonsky – Das Tagebuch der Anne Frank | Graphic Diary”

  1. […] Dieses Büchlein fiel mir eigentlich relativ spontan ein, als ich mir Gedanken zu dieser Liste gemacht hatte. Ich würde die Graphic Diary Ausgabe mitnehmen, damit ich auch etwas bildhaftes zum Stöbern und Entdecken dabei habe. Die Geschichte der Anne Frank ist mutmachend und bedrückend zugleich, auch regt sie zum Nachdenken an, da neben der Ängste und Sorgen während des Krieges ebenfalls das Heranwachsen und damit einhergehende Probleme thematisiert werden. Auch würde ich andere Zauberlehrlinge dazu motivieren, die Geschichte zu lesen, insofern das noch nicht geschehen ist. Meine ausführliche Meinung sowie einen Buchtrailer zu dieser wichtigen Lektüre findet ihr in meiner Rezension. […]

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  2. Oh Nicci,

    was für eine schöne Rezension, schon allein bei deinen Worten habe ich eine kleine Gänsehaut bekommen…
    Ich muss mir das Buch auf jeden Fall auch noch zulegen, da führt einfach kein Weg dran vorbei!

    Vielen Dank für die tolle Vorstellung!

    Liebste Grüße <3 Jill

    Gefällt 2 Personen

  3. Liebe Buchnachbarin,
    was für eine schöne Rezension. Ich schäme mich ja ein wenig, dass ich diesen Roman noch gar nicht gelesen habe. Der ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Aber! Ich habe ja jetzt so eine Wunschliste, warum also nicht eintragen? HA!
    Die Zitate hast du übrigens sehr schön gewählt, hatte richtige Gänsehaut.

    Alles Liebe,
    Sarah

    Gefällt 2 Personen

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