Tara-Louise Wittwer – Drama Queen – Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung | Kurzrezension

Ich würde behaupten wir kennen es alle – Frauen sollen weich sein, liebevoll, nicht zu laut, sexy, aber nicht zu offenherzig, nicht prüde, aber auch nicht „zu verbraucht“. Frauen sollen einen Überblick über Haushalt, Kinder, Konten, Essenspläne und Co. haben, aber bitte auch nicht zu genervt oder gestresst wirken, denn eigentlich ist ja nicht viel zu tun, so als Frau, nech? Frauen sind entweder zuhause und kümmern sich um genannte Punkte oder sie arbeiten in „Frauenberufen“ wie Krankenschwester, Friseurin oder Kindergärtnerin (wenn ich das schon lese, ey). Und machen wir uns nichts vor, all das sind ja nun keine schweren Jobs, im Prinzip trinkt man Kaffee und schnackt mit seinen Kolleginnen, oder?

Stereotype helfen uns dabei, uns in der Welt zu orientieren, deshalb ist es auch so schwer, sie wieder loszuwerden.

Drama Queen, S. 71

Tara, die einige sicherlich auch als @wastarasagt von Tiktok oder Instagram kennen, bringt in ihrem Buch genau diese Punkte und noch viele mehr auf den Tisch, ohne mit dem Finger zu zeigen, aber sehr ehrlich & vehement. Dabei bleibt sie auf einer respektvollen, informierenden Ebene, intergiert Fakten und Zahlen, aber auch persönliche Erfahrungen, bei denen sie kein Blatt vor den Mund nimmt und schonungslos ehrlich ist – selbst was die internalisierte Misogynie betrifft, die sie aufgrund Patriarchat und Sozialisation – vermutlich genauso wie jede Frau von uns – gelebt hat, ja, obwohl man selbst eine Frau ist. Tara benennt einige Beispiele, bei denen ich mich ertappt fühlte. Die vermeintlich verrückte Ex-Freundin des Partners, die Basic-Bitch mit ihren Glitzerfingernägeln, die nervige Influencerin mit ihren Werbeaufträgen. Na, klingelt’s? Auch ich habe be- und verurteilt, bis es irgendwann mal KLICK gemacht hat.

Für mich ist der wichtigste Punkt die Reflexion, wenn man sich aktiv mit derartigen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt, denn ich würde behaupten, dass niemand schon immer feministisch, respektvoll und tolerant war. Notwendig dabei ist somit erst recht reflektiert zu sein, eigene Aussagen und Haltungen zu überprüfen und vor allem: zuzuhören.

Neulich wurde an einem Filmset […] angezweifelt, dass ich überhaupt studiert habe […] Diesen Zweifel finde ich auf verschiedenen Ebenen problematisch, denn er ist nicht nur misogyn, sondern auch klassistisch.

Drama Queen, S. 75

Drama Queen beinhaltete ein paar Aspekte, die neu für mich waren sowie einige, die ich bereits kannte. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Gedanken der Autorin zu lesen, nicht, weil sie so lustig und schön sind, sondern weil sie einfach relatable sind. Es wurden viele Situationen geschildert, die mir bekannt vor kamen und es fühlte sich an, als würde man mit einer Freundin bei einem Kaffee zusammensitzen, sich austauschen, sich gemeinsam reflektieren, merken, dass man selber vieles gesagt (und leider auch genauso gemeint) hat, was problematisch war, und sich dann wieder aufbauen, weil man es nun besser weiß, oder noch dazu lernen möchte und wird. Und genau dafür sind Accounts, wie der von Tara, unfassbar wichtig und wertvoll.

Ich glaube, ich werde noch lange über die geschilderten Aspekte nachdenken und habe auf jeden Fall Lust, mich weiterhin mit der Thematik zu beschäftigen sowie ebenfalls laut zu sein. Ich bin wahnsinnig froh, dass ich ganz zufällig auf Taras Account gestoßen bin. Ein weiteres Mal bin ich sehr dankbar dafür, dass es so viele Influencer*innen gibt, die ihre Stimme und ihre Reichweite nutzen, über wichtige Themen, die uns alle betreffen, aufklären, laut sind, und unfassbar viel Zeit & Mühe investieren.

Fazit

Für mich stellt Drama Queen einen feministischen Pflichtausflug dar, insbesondere, wenn man keinen 500-Seiten-Klopper mit fachliterarischen nicht enden wollenden Kapiteln lesen will, um einen Einblick in die Thematik zu erhalten. Mit 224 Seiten ist das Buch für mich die perfekte Lektüre für einen oder auch ein paar Abende auf der Couch sowie super dafür geeignet ein paar Aspekte aufzugreifen, um diese mit Partner*innen, der Familie und/oder Freund*innen auszudiskutieren, sich über Erfahrungen auszutauschen, zuzuhören, aufmerksam zu sein, sich zu reflektieren. Ich kann mir vorstellen, dass es für den einen oder anderen Aha-und Wow- und YES SISTER-Moment sorgt, wie bei mir auch.

Ich will nicht mehr hören, wie ich mich zu verhalten habe, ich will nicht mehr lächeln müssen, obwohl mir nicht nach Lächeln ist, damit Rolf gegenüber sich besser fühlt in seiner Haut. Ich will nicht angenehm sein, ich will keine Dekoration in einem Raum voller Männer sein […], ich will keine Quote erfüllen, sondern an mich gestellte Anforderungen.

Drama Queen, S. 172

Bewertung: 5 von 5.

Drama Queen bei Amazon | Autorin auf Instagram
11.10.2022 | 224 Seiten | 17,95 €

Inhalt: Laut zu sein ist immer auch ein bisschen unangenehm, vor allem als Frau. Da wird man schnell mal als »hysterisch« oder »dramatisch« abgestempelt. Doch das sind nicht nur Begriffe, die von Männern genutzt werden – auch Frauen verwenden sie, um andere Frauen zu degradieren: »Ich bin nicht so wie die anderen« oder »Männer sind einfach viel weniger Drama« sind nur ein Bruchteil der Sätze, die man selbst im Jahr 2022 noch hört. Doch woran liegt das eigentlich?
In ihrem neuen Buch widmet sich die Kulturwissenschaftlerin und erfolgreiche Influencerin Tara-Louise Wittwer der offensichtlichen und unterschwelligen Abwertung von Weiblichkeit. Sie legt offen, dass nicht nur Männer misogyn – also frauenfeindlich – handeln, sondern auch Frauen untereinander. Durch das Aufwachsen und die ständige Konditionierung in patriarchalen Strukturen hat sich Misogynie in unseren Köpfen verfestigt. Die Aktivistin hinterfragt schonungslos ihre eigenen Verhaltensmuster und die der anderen. Sie reflektiert ihre Rolle als Frau in der Gesellschaft – zwischen Be- und Verurteilung – und zeigt Wege auf, wie wir als Frauen (und Männer!) fairer miteinander umgehen können.
[Quelle]


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8 Antworten zu “Tara-Louise Wittwer – Drama Queen – Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung | Kurzrezension”

  1. Es klingt so gut und die Zitate sind schon ne totale Bereicherung. Hab es mal auf meine Merkliste gesetzt und vielleicht lasse ich es im Januar direkt einziehen. Liebe es aktuell sehr mich zu dem Thema genauer zu informieren.

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